meine kleine leidenschaft:
…die Verortung von Poesie / Gedicht / Sprechtext in Raum und Zeit….
ortsspezifische inszenierungen meiner gedichte mit möglichst einfachen mitteln…
zuletzt im Oktober 2017
„erdapfel – messer – wasser – salz“
(in 4 m höhe auf einem regal voll mit zurückgelassenem material eines künstlers
im sogenannten bodenatelier der dort aktuell arbeitenden künstlerin anneli ketterer)
(inszenierung mit kartoffeln, einem messer, wasser, salz einem küchentuch und zwei großen kochtöpfen)
zum einsatz kam nun folgender text:
„leben heißt verwandlung“ sagte der stein zur schnecke und flog davon
eine lügengutenachtgeschichte
unter der haut liegt das schweigen
wie ein schneewittchen im glassarg
als wäre es vergiftet
als hätte man es eingeschlossen
und es ist so wunderschön
und
geheiminformationen sagen
es sei gar nicht tot
man könne es noch retten
lieber prinz
man weiß jetzt wo es liegt
unter der haut
und
liebe stiefmutter
der spiegel
kennt die wahrheit auch nicht
und
du bist die schönste
im ganzen land
und
es geht hier nicht um schönheit
es geht hier um
wahrheit
darauf liegt es gebettet
das schweigen
schläft tief
unter der haut
man hört es ja atmen
wenn man ganz leise ist
das schweigen schlummert
ganz friedlich
und manchmal wälzt es sich hin und her
unter der haut
dann spürt man ein leichtes schaudern
wir dürfen das schweigen nicht wecken
es könnte gähnen
und guten morgen sagen
dann würde es verpuffen
und für immer verschwinden
vielleicht
das schweigen ist so kostbar
weil es den sinn hinter den dingen
zum vorschein bringt
so sagt man
das schweigen wirkt wie eine lupe
auf die wahrheit
nun liegt es auf ihr
schläft
die wahrheit
trägt das schweigen
mit sich herum
die wahrheit kann gar nicht anders
ist dem schweigen
ohne worte
unter legen
sprache ermöglicht das lügen
wörter betrügen
sie projizieren erfundene tatsachen
in die köpfe der menschen
stellen eine scheinwelt her
die dazu dient
eine sehr große maschine
am laufen zu halten
aber das darf niemand wissen
psst
wir dürfen das schweigen nicht aufwecken
das schweigen träumt
es wäre die königin der welt
und alle müssten machen
was sie befiehlt
alle schauen sie an
flehen um befehle
aber das schweigen sagt nichts
königin schweigen schweigt
im schlaf
tief
unter der haut
wo der frieden lebt
da wo schon alles gesagt ist
das schweigen träumt
es wäre eine flut
es würde die welt überschwemmen
die landschaft aus worten
verschlucken
einfach so
ein bißchen gierig
aber auch satt und zufrieden
dann
wenn die ganze oberfläche
überflutet ist
die worte schwimmen im meer
wie flossengetiere
man hört sie nur blubern
wenn man untertaucht
und ganz genau hinhört
das schweigen träumt
es wäre die wüste
alle gespräche
würden verdunsten
in der hitze der brennenden sonne
oder erfrieren
in der klirrenden kälte der nacht
es träumt
es würde die erfrorenen wörter
in den himmel werfen
wo sie als sterne und milchstraßen
muster bilden
stumm und schön
das schweigen träumt
es wäre gras
es würde über die sprache wachsen
zwischen den menschen
wäre dann alles
weich und grün und frisch
das schweigen träumt
es wäre der wind
und das rauschen
in den bäumen
und so würde es alle botschaften der welt
behutsam ans ziel bringen
das schweigen träumt
es stünde vor einem spiegel
der vor einem spiegel steht
und
so sieht es die unendlichkeit
und das schweigen träumt
vom ewigen leben
tief unter der haut
liegt es
auf der wahrheit
schläft
und träumt
immer weiter
es träumt
es sei das himmelsblau
und die menschen
die wolken
es träumt
es sei der erdball
und die menschen der sand
die bäume das wasser
die luft die sterne das getier
und es träumt
die menschen wären schnecken
langsam und stumm
und dann träumt es
die menschen wären steine
alt und weise
und es träumt
zwei wünsche frei zu haben
und es wünscht sich
die träume als wahrheit
und die wahrheit wünscht es sich weg
das schweigen lebt auf dem mond
unter der haut von schneewittchen im glassarg
auf die wahrheit gebettet
es schläft
tief
aber es hat immer ein auge offen
und kuckt was passiert auf der erde
und auf der erde
sieht es einen stein
und eine schnecke
leben heißt verwandlung
sagt der stein zur schnecke
und fliegt davon
bis zum mond
wo man ein lautes klirren hört
der mond fällt runter
auf die erde
und das schweigen
legt sich über die welt
und dort schläft es
glücklich und zufrieden
und träumt
bis in alle ewigkeit
es sei denn
irgendjemand weckt es auf